Gedanken zur Nachtsicht-/Wärmebild-Zieltechnik
Nach einem Vortrag zur jagdlichen Nachtsicht/Wärmebildtechnik sprach mich ein älterer Herr mit folgenden Worten an: Herr Menneking, wir werden keine Freunde!
Es handelte sich um den ehrwürdigen Wildmeister B. Er war sehr verbittert über die moderne Sensortechnik, lehnt diese vehement und mit üblen Beschimpfungen ab. Dieses Teufelszeug hätte die Moral der Jäger vergiftet, wäre unnötig, würde nur üble Schießer hervorbringen, die keinen Respekt vor Wild und Brauchtum hätten und gehört umgehend verboten sowie von der Jägerschaft verbannt, geächtet und vieles mehr. Ich kann seinen Frust in vielen Punkten verstehen!
Nur nutzt dieses alles nichts, alles verändert sich und entwickelt sich weiter, unser ganzes Leben, die Technik, unsere Umwelt, die Landwirtschaft und auch die Jagd. Wir können nicht einfach sagen: Das lehnen wir ab! Wir müssen uns diesen Veränderungen stellen und das Beste daraus machen, um die Akzeptanz der Jagd auch zukünftig sicherzustellen.
Bereits vor einigen Jahren hatte ich unserem Dachverband, den DJV in Berlin, gebeten, von einer Art Jagd-Ethik-Kommission Richtlinien für den Umgang mit Nachtsicht/Wärmebild-Zieltechnik erarbeiten zu lassen. Hier ist leider nichts passiert, das ist sehr schade. Weiterhin hat der Gesetzgeber 2 Gesetze gravierend geändert, das Waffengesetz und auf Landesebene das jeweiligen Landesjagdgesetz. So ist nun fast überall erlaubt, mit Technik Schwarzwild und mehr zu erlegen. Hier wurde ganz klar versäumt, eine Ausbildung bzw. einen Sachkundenachweis vorzuschalten. Jeder Jagdscheininhaber kann sich nun alles kaufen, was die Werbung verspricht und munter des Nachts drauflos jagen. Die allerwenigsten Jäger machen sich Gedanken zur Technik, zum Umgang und zu den Folgen. Das ist mehr als schade, gerdazu gefährlich!
Hier sehe ich, ähnlich wie Wildmeister B. die Gefahr, dass sich ein Wildwuchs von schießgierigen, technikgläubigen und technikhörigen Wildbekämpfern entwickelt, die ihr Wissen und ihre Motivation aus üblen YouTube Szenen beziehen, in denen aus Hubschraubern mit halbautomatischen Waffen halbwilde Schweine mit Wärmebildzielgeräten abgeknallt werden. All dieses brauchen wir nicht!
Doch was benötigen wir? Wir brauchen gut ausgebildete, verantwortungsbewusst, besonnen und waidmännisch jagende, passionierte und disziplinierte Jäger, keine schießwütigen, rücksichtslosen Schädlingsbekämpfer!
Unser höchstes Gut ist die Akzeptanz der Jagd bei Politik und Bevölkerung. Dieses dürfen wir nicht achtlos verspielen, durch den leichtfertigen Einsatz von fragwürdiger Technik und nicht ausgebildeten Anwendern.
Die Waidgerechtigkeit wird zu einem großen Teil darüber definiert, dass wir dem Wild auch Ruhe gönnen. Wir müssen uns fragen, ob es Not tut, jede Nacht im Wald herum zu pirschen und morgens um halb drei jeden Frischling mitzunehmen. Technisch ist das sicherlich möglich. Wir müssen aber bedenken, dass das Wild uns im Revier mitbekommt und entsprechend auch sein Verhalten verändert. Gerade das scheue Rotwild wird durch nächtliche Jagdaktivität massiv gestört, es wird zurück in die Einstände gedrängt, die Verbiss- und Schälschäden nehmen dramatisch zu.
Sicherlich muss das Schwarzwild zur Wildschadenabwehr im Felde scharf bejagt werden. Auch die Sauen reagieren auf den steigendem Jagddruck, der von vermehrter Beunruhigung und Bejagung bei Nacht mit Technik ausgeht: Aus vielen Erzählungen und eigene Beobachtungen kann ich berichten, dass sich die Aktivitäten der Sauen zunehmend in die frühen Morgenstunden verlagern. Sie sind dann unterwegs, wenn die meisten Jäger vom Ansitz zurück sind und noch etwas schlafen müssen, um anschließend zur Arbeit zu gehen.
Die Sauen haben gelernt: Je später ich den Einstand verlasse, desto größer sind meine Überlebenschancen.
Ein weiterer Punkt, über den es sich lohnt, Gedanken zu machen, ist das Schießen mit Wärmebild. Diese Technik verleitet den Anwender oftmals zu riskanten Schüssen, die er mit lichtverstärkenden Technik niemals abgegeben hätte. Oder zu Schüssen auf nicht einschätzbare Entfernungen oder zu Schüssen auf flüchtende Rotten bei Nacht und zu Schüssen auf verdeckt stehendes Wild. Darüber wurde auch schon viel geschrieben, siehe hier: https://www.cml-jagd.de/nachtsichttechnik/waermebildvorsatzgeraete/
Immer wieder fragen Personen (ich schreibe bewusst nicht „Jäger“) bei mir an, ob man denn mit lichtverstärkender Nachtsichttechnik des nachts auch Doubletten oder Tripletten schießen kann. Dieses sei wohl mit Wärmebildzieltechnik möglich, da sich das Wild damit schneller auffassen lässt. Ich schäme mich für solche Anfragen. Sie bestätigen leider die Befürchtungen des alten Wildmeisters B.
Jagd ist ein Handwerk, welches man erlernen muss. Dazu gehört gute Ausbildung, und viel, viel praktische Erfahrung. Dieses kann man nicht ersetzen durch den Kauf von teurer und vermeintlich guter Technik! Hier müssen wir alle daran arbeiten, dass mit der jagdlichen Sensortechnik sorgsamer und verantwortungsbewusster umgegangen wird. Deshalb gehört dieses Thema auch zwingend in die Aus-und Weiterbildung aller Jäger und in die Jungjägerausbildung, nicht nur der technische Anteil, sondern genau so der jagdpraktische und jagdethische Teil!
Jeder Jäger, der sich mit Sensortechnologie ausrüsten möchte, sollte sich deshalb unbedingt VOR dem Kauf professionell beraten und schulen lassen.
Mit Waidmannsheil
Ulrich Menneking